Netzwerk Onkologie

Einleitung

Integrative onkologische Therapieangebote werden von einer wachsenden Anzahl von Patienten in Einrichtungen der anthroposophischen Medizin wahrgenommen. Trotz ihrer breiten Anwendung muss die Integrative Onkologie in der klinischen Praxis noch weiter untersucht werden. Das akkreditierte Netzwerk Onkologie (NO), welches Diagnose- und Therapiedaten von Krebspatienten strukturiert erfasst, bietet eine Infrastruktur, um integrative Konzepte der Onkologie zu erforschen, sie mit anderen klinischen Registern zu vergleichen und somit zu einer verbesserten Versorgung in diesem Bereich beizutragen.

Das NO ist ein Zusammenschluss von onkologischen, integrativen und anthroposophisch- onkologischen Kliniken, Ambulanzen und Arztpraxen. Es bietet eine technische und inhaltliche Plattform zur standardisierten Erfassung von klinischen Registerdaten auf Grundlage der Basisdokumentation für Tumorkranke der Deutschen Krebsgesellschaft und dem Dokumentationsstandard der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren. Zudem dient das NO als Basis für Beobachtungsstudien integrativer Behandlungskonzepte der Onkologie im Versorgungsalltag. Für diese epidemiologischen Anwendungsbeobachtungsstudien liegt ein positives Votum der Berliner Ärztekammer vor. Das NO wurde im November 2016 offiziell von der Deutschen Krebsgesellschaft akkreditiert (siehe Studybox).

Neben den onkologischen Verlaufsdaten werden zusätzlich alle tumorbezogenen komplementärmedizinischen Therapien, z.B. die sogenannten Zusatztherapien der Anthroposophischen Medizin wie Kunsttherapie, pflegerische Anwendungen, Heileurythmie und Psychotherapie systematisch dokumentiert. Darüber hinaus wird ein umfangreicher Katalog zur Erfassung der Misteltherapie und ihrer Nebenwirkungen erstellt. Zusätzlich erfolgt die Erfassung und Analyse der Lebensqualität der Patienten in der Nachsorge.
Das NO erfasst somit die gesamte onkologische Behandlung eines Patienten. Damit kann der Stellenwert integrativer Therapiekonzepte im Rahmen der Krebsbehandlung in den Netzwerkzentren im Sinne der Versorgungsforschung kontinuierlich evaluiert werden.

Ziel

Ziel des Netzwerk Onkologie ist neben dem Aufbau des Netzwerkes und der Tumordokumentation nach nationalen onkologischen Dokumentationsstandards a) die Erhebung von Unbedenklichkeitsdaten der Misteltherapie, b) die Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität aus Patientensicht (patient-reported outcomes), c) die Erfassung von Rezidiv-, und Überlebensdaten und d) die Erfassung und die Analyse von Kosten-Effektivitätsmodellen integrativer onkologischer Behandlungskonzepte im Versorgungsalltag. Langfristiges  Ziel ist die Weiterentwicklung integrativer Therapiekonzepte und die qualitative Verbesserung der Versorgung von Tumorpatienten.

Sollten Sie Interesse haben, an diesem Projekt als Zentrum mitzuarbeiten, wenden Sie sich bitte an den Projektleiter Dr. Friedemann Schad bzw. an die Projektkoordinatorin Antje Merkle.

Schwerpunkte

Etablierung und Vergleichbarkeit des NO Registers

Im Jahre 2013 erfolgte eine erste Analyse der erfassten Patientendaten mit tumorbezogenen Diagnosen und Therapien im Netzwerk Onkologie 1. Es konnte gezeigt werden, dass es machbar ist, eine Infrastruktur aufzubauen, die die anthroposophische Medizin im onkologischen Versorgungsalltag abbildet und auch dazu dienen kann, die Anwendung integrativer onkologischer Therapieformen zu dokumentieren. Aus dem NO wurden in den letzten Jahren zahlreiche Auswertungen und Analysen auf nationalen und internationalen Kongressen vorgestellt.

Sicherheit der Misteltherapie

Die Misteltherapie ist eine der am häufigsten angewendeten integrativen Krebstherapien in Zentraleuropa und wird häufig als begleitende Behandlung zur Chemotherapie in der Onkologie mit dem Ziel der Erniedrigung Chemotherapie-induzierter Nebenwirkungen 2-5 und Verbesserung der Lebensqualität gegeben 4, 6, 7. Analysen der NO-Daten zeigten, dass die subkutan (unter die Haut) gegebene Mistelstandardtherapie als auch die off-label intravenöse (über die Vene) gegebene Misteltherapie für den Patienten sicher ist und mit nur wenigen milden bis moderaten (intravenös: 4.6%, subkutan: 8,4%), zum Teil beabsichtigten und bekannten Nebenwirkungen verbunden ist 8, 9. Insgesamt ist die Misteltherapie damit sicher in ihrer Anwendung.

Sicherheit der Misteltherapie in der Wechselwirkung mit anderen Medikamenten

Mithilfe der im NO-Register erfassten Daten der Misteltherapie können neben den Aussagen zu Sicherheit der Anwendung der Mistel auch Sicherheitsprofile in der Wechselwirkung mit anderen Medikamenten analysiert werden. Dabei zeigte sich, dass die Nebenwirkungsrate bei onkologischen Patienten, die mit Antikörpern und zusätzlicher Mistel behandelt wurden, um das Fünffache geringer war, als bei Patienten, die Antikörper ohne zusätzliche Misteltherapie erhielten 10. In den letzten Jahren sind immuno-onkologische Therapien zugelassen worden, da sie das Überleben bei fortgeschrittenen oder metastasierten Krebsarten deutlich verbessern können. Für die Anwendung einiger dieser vielversprechenden Therapien mit zusätzlicher Misteltherapie lagen bisher keine Risikoanalysen vor. Das aus den NO-Daten hervorgehenden Sicherheitsprofil der neueren immunologischen Checkpoint Inhibitoren, die zusammen mit Mistelanwendungen an Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Melanom oder Lungenkrebs gegeben wurden, zeigte keine Erhöhung der für die Immuntherapien bekannten Nebenwirkungen 11.

Gesundheitsbezogene Lebensqualität von Patienten in der integrativ-onkologischen Versorgungsforschung

Ein weiterer Schwerpunkt der im Rahmen des NO-Registers durchgeführten Beobachtungsstudien ist die Erfassung und Analyse der gesundheitsbezogenen Lebensqualität der Patienten in der Nachsorge. Hierbei geht es um die Auswertung von validierten Fragebögen, die die von den Patienten berichteten Gesundheitsempfindungen in symptomatischen und funktionellen Bereichen der Lebensqualität wiedergeben. Im Rahmen der Nachsorgedokumentation werden die Patienten zu verschiedenen Zeitpunkten befragt. Erste Ergebnisse, die auf dem interdisziplinärem Kongress Quality of Cancer Care der Deutschen Krebsgesellschaft und dem World Congress Integrative Medicine & Health im Jahr 2017 vorgestellt wurden 12, 13, deuten auf eine kurzfristige Verbesserung im Bereich der emotionalen, sozialen und Rollenfunktion während der onkologischen Primärtherapie bei nicht-metastasiertem Brustkrebs nach zusätzlicher Behandlung mit Misteltherapie hin.

Kosten-Effektivitätsanalysen integrativer Therapien

Einhergehend mit einem Nutzen für die Gesundheit und Lebensqualität können integrative Strategien substantielle Kostenersparnisse erbringen. 14-17. Die Implementation integrativer Therapien kann jedoch nur dann erfolgen, wenn die ökonomische Evaluation hohen Qualitätsstandards unterliegt und international vergleichbar ist 18. Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen und der komplexen Natur von multimodalen und integrativen Therapien wird derzeit ein Konzept erstellt, um  zukünftig aus den Daten des Netzwerkes Onkologie auch im Bereich von Kosten-Wirksamkeitsanalysen den Stellenwert von Therapien im integrativen-anthroposophischen Kontext abzubilden und mit nicht-integrativen Standardtherapien zu vergleichen.

 

Literatur

  1. Schad F, Axtner J, Happe A, Breitkreuz T, Paxino C, Gutsch J, Matthes B, Debus M, Kröz M, Spahn G, Riess H, von Laue HB and Matthes H. Network Oncology (NO)--a clinical cancer register for health services research and the evaluation of integrative therapeutic interventions in anthroposophic medicine. Forsch Komplementmed. 2013;20:353-60.
  2. Eisenbraun J, Scheer R, Kröz M, Schad F and Huber R. Quality of life in breast cancer patients during chemotherapy and concurrent therapy with a mistletoe extract. Phytomedicine. 2011;18:151-7.
  3. Evans M, Bryant S, Huntley AL and Feder G. Cancer Patients' Experiences of Using Mistletoe (Viscum album): A Qualitative Systematic Review and Synthesis. J Altern Complement Med. 2016;22:134-44.
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  7. Ostermann T, Raak C and Büssing A. Survival of cancer patients treated with mistletoe extract (Iscador): a systematic literature review. BMC Cancer. 2009;9:451.
  8. Steele ML, Axtner J, Happe A, Kröz M, Matthes H and Schad F. Safety of Intravenous Application of Mistletoe (Viscum album L.) Preparations in Oncology: An Observational Study. Evid Based Complement Alternat Med. 2014;2014:236310.
  9. Steele ML, Axtner J, Happe A, Kröz M, Matthes H and Schad F. Adverse Drug Reactions and Expected Effects to Therapy with Subcutaneous Mistletoe Extracts (Viscum album L.) in Cancer Patients. Evid Based Complement Alternat Med. 2014;2014:724258.
  10. Schad F, Axtner J, Kröz M, Matthes H and Steele M. Safety of Combined Treatment with Monoclonal Antibodies and Viscum album L preparations. Integr Cancer Ther. 2016.
  11. Thronicke A, Steele M, Grah C, Matthes B and Schad F. Clinical Safety of Combinational Therapy of Immune Checkpoint Inhibitors and Viscum Album L. in Patients with Advanced or Metastasized Cancer. Abstract. Journal of Thoracic Oncology. 2017;12:S1295–S1296.
  12. Thronicke A, Kröz M, Steele M, Matthes H, Herbstreit C and Schad F. Health status and health related quality of life of breast cancer patients receiving multimodal integrative concepts within health services research of a certiefied Breast Cancer Centre. Abstract. Forum. 2017;32:96.
  13. Thronicke A, Kröz M, Steele M, Matthes H, Herbstreit C and Schad F. Health related quality of life of breast cancer patients receiving non-pharmacological interventions within a multimodal integrative concept of a certified breast cancer centre. Abstract BMC Complement Altern Med. 2017;17:317.
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  18. Herman PM, Poindexter BL, Witt CM and Eisenberg DM. Are complementary therapies and integrative care cost-effective? A systematic review of economic evaluations. BMJ Open. 2012;2.